Im Frühjahr 2021 verabschiedete der DASV ein öffentliches Klimaselbstverständnis, das auf die Verantwortung der Archäologie zur Bewältigung der Klimakrise hinweist und die spezifischen Folgen der Krise für das Fach aufzeigt. Wiederholt betont das Verständnis die wichtige Rolle des wissenschaftlich informierten und lösungsorientierten Dialogs, nicht nur innerhalb der Archäologie, sondern auch über den eigenen Tellerrand hinaus mit der Öffentlichkeit und politischen Entscheidungsträger_innen. Das Thema beschäftigte uns seit Langem und immer wieder waren und sind wir von dem Umgang vieler archäologischer Publikationen damit frustriert- oder um genauer zu sein, mit dem mangelnden Umgang. Zu häufig werden die Gefahren und Auswirkungen der Krise und unser möglicher Beitrag zu deren Eindämmung nur am Rande oder gar nicht erwähnt.
Umso mehr freuten wir, die AG Politik des DASV, uns, als wir das Thema der Archäologie in Deutschland im Juni/Juli 2022 sahen – KLIMAWANDEL! Eine ganz Ausgabe über die Einflüsse, die das Klima auf vergangene Kulturen, aber auch auf unsere Gegenwart und die Zukunft in der Archäologie hat. Wir freuten uns darauf zu erfahren, wie unterschiedliche Gemeinschaften im Laufe der Jahrhunderte mit klimatischen Veränderungen – teils natürlich, teils menschlich bedingt – umgingen, und vielleicht von ihnen zu lernen. Wir hofften aber auch auf Informationen zur KlimaKRISE, zu den umfassenden Bedrohungen, denen archäologische Stätten und Grabungen durch vermehrte Hochwasser, Brände, Dürren und steigende Meeresspiegel ausgesetzt sind. Doch die Lektüre der Ausgabe stellte sich als etwas enttäuschend und stellenweise sogar alarmierend heraus.
Die Artikel sind zweifellos sehr informativ und eröffnen vielfältige Blicke auf unterschiedliche klimatische Veränderungen der Vergangenheit, doch mit Blick auf die gesamte Ausgabe fehlte es an einer zeitgenössischen Einordnung der präsentierten Datenlage. Faktische korrekte Sätze wie “...[Wir] erleben [...] aus eiszeitlicher Perspektive bis heute eine ausgesprochen stabile Klimaphase.” (Terberger, S. 25) und “Dabei wird die historische Dimension des Klimawandels meist auf den Zeitraum seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 beschränkt und ausgeblendet, dass die Lebensbedingungen in allen Zeiten der Menschheitsgeschichte in hohem Maße von den jeweiligen klimatischen Voraussetzungen abhängig waren.” (Heftthema, »Klimawandel – Dürre, Hitze, Flut & Eis« – Archäologie in Deutschland 3/22 - AiD Magazin (aid-magazin.de)) können von Klimaleugner_innen problemlos als Bestätigung ihres realitätsfernen Weltbilds präsentiert werden. Unser Fach erfasst zwar viele klimatische Schwankungen in der Vergangenheit, doch es muss auch in archäologischen Texten klar bleiben, dass die aktuellen Veränderungen eine unmittelbare Krise sind, die sich durch ihre Schnelligkeit und den hohen Grad menschlicher Verschuldung von denen der Vergangenheit unterscheiden. Die Mythen der Klimaleugner_innen bedrohen die Bekämpfung der Auswirkungen der Krise und einige Stellen der Ausgabe lassen sich leider nur zu leicht in ihrem Sinne auslegen. Dadurch könnten Leugner_innen es wirken lassen, als würde die archäologische Forschung die akute Gefahr der Klimakrise negieren.
Es ist nicht unsere Absicht behaupten, dass archäologische Veröffentlichungen immer mit aktuellem politischen Bezug konzipiert werden sollten und nur der praktische Gegenwartsbezug einer Forschung Berechtigung gibt. Doch wenn eine Publikation, die ein wichtiges Mittel zum Dialog zwischen Forschung und Öffentlichkeit darstellt, wie es die AiD beispielsweise ist, sich einem Thema widmet, dass uns alle in unserer Zukunft und Lebensgrundlage bedroht, dann kann und darf man die Augen nicht vor dem politischen Kontext schließen. Ein kurzer Satz innerhalb der Artikel oder ein eigener Beitrag, der zusammenfassend für alle Texte der Ausgabe die akuten Gefahren der Klimakrise auf die Archäologie darlegt und die Inhalte in den heutigen Kontext einordnet, wäre genug gewesen, um die wissenschaftliche Position zu dem Thema unmissverständlich zu kommunizieren. Fehlende Kontextualisierung ist keineswegs nur in Zeitschriften zu finden, sondern ein grundsätzliches Problem vieler Veröffentlichungen. Dieser Text soll daher keine Kritik einer einzigen AiD-Ausgabe sein, sondern des Umgangs der Archäologie mit der Klimakrise im Allgemeinen. Die AG Politik des DASV plädiert grundsätzlich für einen verantwortungsvolleren Umgang mit dem Themenfeld, indem Publikationen beispielsweise ein kurzer Absatz beigefügt wird, der historische Klimawandel und die gegenwärtige Klimakrise deutlich voneinander abgrenzt.
Die Archäologie hat in vergangenen Krisen zu oft geschwiegen und zugelassen, dass sich andere Gruppierungen ihrer Forschungen bemächtigten und diese zur Propagierung ihrer eigenen verdrehten Absichten missbrauchten. Objektivität ist in der Wissenschaft unerlässlich, doch sie ist keine Ausrede, um sich der eigenen Verantwortung zu entziehen. In einem mündlichen Vortrag kann man sich Verdrehungen und Fehlinterpretationen unmittelbar stellen, doch ein Text muss für sich selbst einstehen. Wenn also von vornherein klar ist, dass Inhalte leicht manipuliert werden können, dann müssen sie so kontextualisiert sein, dass keine Zweifel über ihre Aussage stehen bleiben. In dem Fall Klimakrise heißt das: ja, es gab auch in der Vergangenheit Klimaschwankungen und die Menschheit hat es überlebt. Doch in dem Ausmaß, der Geschwindigkeit und mit so viel Selbstverschuldung durch den Menschen wie wir es heute sehen, hat es Klimaveränderungen nie gegeben. Das ist eine Krise und die bevorstehenden Folgen werden nie dagewesen Dimensionen erreichen.
Wir studieren die Vergangenheit, lasst uns dieses eine Mal unsere eigene betrachten und aus ihr lernen. Genug schweigen, genug abwarten, genug Kopf-in-den-Sand-stecken-und-im-stillen-Kämmerchen-ausharren. Bücher und Grabungen sind keine Scheuklappen, mit denen man den Rest der Welt und die Bedrohungen der Klimakrise für uns und unsere Zukunft ausblenden kann, sondern stellen eine Möglichkeit dar, durch Forschung Lösungsansätze für die anstehenden Probleme zu finden. Und da wissenschaftlicher Austausch auch immer Kritik bedingt, haben wir uns hier mit unseren Kritiken und Forderungen zu Wort gemeldet. Aber wir möchten der AiD auch danken, dass sie „Klima“ als Thema gewählt haben und hoffen, dass dadurch ein intra- und interdisziplinärer Dialog entfacht wird, zu dem wir mit diesem Blogeintrag ein kleines bisschen beitragen können. Lasst uns reden und Lösungen finden.
Dachverband Archäologischer Studierendenvertretungen e.V.
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